Schadstoffe in essbarem Stadtgrün?

Immer wieder werden wir gefragt, ob Obst und Kräuter aus der Stadt wirklich essbar sind oder ob sie nicht doch Schadstoffe von Autos, Baustellen und aus dem Boden enthalten. Deswegen haben wir mit einem unabhängigen Handelslabor Pflanzenproben analysiert.

Es gibt schon Untersuchungen zu Schadstoffen in Obst und Kräutern aus der Stadt. Beispielsweise hat Mundraub.org den Gehalt von Blei und Cadmium in Stadtobst und Stadtgemüse mit Bezug zu einer Studie der TU Berlin untersucht. Ob die Ergebnisse allerdings auch für das Obst und Gemüse aus unseren Stadtgärten gilt oder ob auch andere Schadstoffe enthalten sind, war uns nicht klar. Außerdem: Könnte es nicht andere Stoffe wie Arsen oder Quecksilber geben, die auch wichtig sind?

Was wurde wie untersucht?

Zunächst stellte sich die Frage, welche Schadstoffe überhaupt existieren und relevant sind? Deswegen haben wir uns Verordnungen zu Pestiziden und Lebensmittelkontaminationen angeschaut. Wichtig sind die Verordnung zur Festsetzung der Höchstgehalte für bestimmte Kontaminanten in Lebensmitteln (Verordnung (EG) Nr. 1881/2006 – PDF Download) und die Verordnung zur Festsetzung der Höchstgehalte an Pestizidrückständen in oder auf Lebens- und Futtermitteln (Verordnung (EG) Nr. 396/2005 – PDF Download). Daraus ergeben haben sich verschiedene Kontrollgruppen, wie Kräuter, Blattgemüse und Obst. So haben wir an vier Standorten Frucht- und Pflanzenproben aus diesen Gruppen entnommen. Das waren Zitronenmelisse (Kräuter), Rucola (Blattgemüse) und Johannisbeeren (Obst) vom Garten am Alberthafen (ausgetauschter Boden), aus dem Alaunpark (Trümmerablagerung nach dem zweiten Weltkrieg), von der Gehestraße/GEH8 (ehemalige Bahnwerkstatt)und vom SLUB Text Lab (Wiese). Alle Flächen liegen im Stadtgebiet Dresdens (Inversionsklima). Alle Proben wurden auf verschiedene Bestandteile untersucht. Das waren Blei (Pb), Cadmium (Cd), Arsen (As) und Quecksilber (Hg). So sollte zumindest Ansatzweise das Stadtgebiet abgedeckt werden.

Waschen oder nicht?

Ob die genannten Stoffe bei den Frucht- und Pflanzenproben aus der Luft stammen oder vom Boden aufgenommen wurden, war die nächste Frage. Würden einige Proben nach einem Regen, andere nach wochenlangem Sonnenschein entnommen, könnten beispielsweise Schadstoffe aus der Luft abgewaschen worden sein und das Ergebnis wäre verfälscht. Daher wurden die Proben am selben Tag – bei prallem Sonnenschein im Juli 2021- an allen Orten entnommen. Außerdem wurde eine Hälfte jeder Probe abgewaschen und eine Hälfte wurde ungewaschen belassen. Da die Proben für die Analyse frisch sein mussten, wurden alle Proben eingefroren und von einem Nachtkurier ins Labor gebracht. Das waschen erfolgte ohne Seife für etwa 5-10 Sekunden mit kaltem Wasser.

Cadmium

Der Grenzwert für Cadmium liegt laut Verordnung (EG) Nr. 1881/2006 bei 0,2 mg/kg beispielsweise bei Blattgemüse und bei 0,05 mg/kg beispielsweise bei Früchten. Er wurde an allen Standorten deutlich unterschritten. Die höchste Konzentration gab es auf der Gehestraße mit 0,06 mg/kg beim ungewaschenen Rucola. Bei den meisten Proben waren die Rückstände von Rucola kleiner als von der Messung erfasst (<0,01 mg/kg).

Quecksilber

Quecksilbergrenzwerte haben wir in der Verordnung (EG) Nr. 1881/2006 hauptsächlich für Fischereierzeugnisse gefunden. Sie hier zu zitieren ist allerdings nicht zielführend und führt unter Umständen zu Verwirrungen sowie Fehlinterpretationen. Experten empfehlen daher auch einen Blick auf die Verordnung Verordnung (EG) Nr. 396/2005.

Unter anderem werden Grenzwerte auch als tolerierbare wöchentliche Aufnahmemengen in Lebensmitteln beschrieben. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheitt (Quelle) hat aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die wöchentlichen Höchstwerte 2012 bewertet. Demzufolge sind 4 µg/kg Körpergewicht (1 Microgram = 0.001 Milligram) für anorganisches Quecksilber pro Woche vertretbar. Das Untersuchungsgremium hat weiterhin 1,3 µg/kg KG für Methylquecksilber vorgeschlagen. Wir haben diese Unterscheidung nicht vorgenommen sondern generell nach Quecksilber gesucht.

Die höchste Konzentration gab es auf der Gehestraße mit 0,007 mg/kg bei der ungewaschenen Zitronenmelisse. Wir glauben, dass das an der rauen Blattoberfläche und den mehrjährigen Blättern hängt.

Blei

Der Grenzwert für Blei in Johannisbeeren liegt laut Verordnung (EG) Nr. 1881/2006 bei 0,2 mg/kg. An allen Standorten war die Konzentration gewaschen und ungewaschen <0,05 mg/kg.

Der Grenzwert von Blei in Blattgemüse liegt bei 0,3 mg/kg. Die höchste Konzentration von Blei in Blattgemüse fanden wir im Rucola im Alaunpark mit 0,24 mg/kg.

Frische Kräuter sind ausdrücklich ausgenommen aus dieser Regelung. Die höchste Konzentration von Blei in frischen Kräutern fanden wir bei Zitronenmelisse auf der Gehestraße mit 1,7 mg/kg (ungewaschen). Die gewaschene Zitronenmelisse enthielt hier 0,09 mg/kg Blei.

Arsen

Der Grenzwert für Arsen betrifft in der Verordnung (EG) Nr. 1881/2006 hauptsächlich Reis und Reisprodukte. Am niedrigsten ist er hier bei Reis für die Herstellung von Lebensmitteln für Säuglinge und Kleinkinder mit 0,1 mg/kg. Die höchste Konzentration von Arsen fanden wir auf der ungewaschenen Zitronenmelisse von der Gehestraße 1,2 mg/kg. Gewaschen betrug der Wert auf der Zitronenmelisse 0,2 mg/kg.

Zusammenfassung

Es ist wichtig zu sagen, dass sich die Einschätzungen nur auf die untersuchten Parameter beziehen und dass es sich um eine Auswahl von Proben handelt. Für eine vollumfassende und repräsentative Beurteilung sind eine wesentlich höhere Probenanzahl und –auswahl erforderlich. Vielleicht hätte man auch weitere Kontaminanten wie PAK, Dioxine, Mineralöl oder weiteres einbeziehen müssen, was uns vorerst nicht möglich war. Die Pflanzenproben lagen bis auf wenige Ausnahmen (ungewaschen) weit unter den Grenzwerten für Lebensmittel und könnten ungewaschen gegessen werden. An der ehemaligen Bahnwerkstatt waren die Stäube und dadurch die mehrjährigen Kräuter belasteter. Dies lies sich aber mit Waschen beheben.
Obst, Gemüse und Kräuter können somit weitgehend bedenkenlos gegessen werden. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, sollte die entnommen Pflanzenteile vor Verzehr waschen.

Versuchsaufbau und Blogpost: Volker Croy und Paul Stadelhofer
Foto: Paul Stadelhofer/Stadtgärten e.V. CC BY-SA 3.0

1 Kommentar zu „Schadstoffe in essbarem Stadtgrün?“

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